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AutorenbildAnja

Fluch und Segen

Aktualisiert: 27. Apr. 2023

Letzte Woche haben wir eine Einladung zu einer chinesischen Hochzeit bekommen. Der Termin ist am 11.7.2021, also ein Sonntag. Start der Party 10:58 Uhr. Warum so eine krumme Zeit? Das hat irgendwas mit chinesischen Glücksvorstellungen zu tun. Die Zahl 8 bedeutet viel Reichtum. Also Geld. Legt man sie auf die Seite ist die Acht das Unendlichzeichen. Also unendlicher Reichtum.

Ich weiß aber nicht, ob diese Nummerologie auch etwas über das Glück und die Liebe aussagt. Wäre dem Paar ja neben dem Reichtum auch zu wünschen. Oder sie haben ihre Präferenzen woanders…

Auf alle Fälle weiß ich aber, dass sich chinesische Hochzeiten sehr von deutschen Hochzeiten unterscheiden. Wie genau, das werde ich dann im nächsten Beitrag berichten.

Aber die Einladung ist sehr schön. Und es ist ein Glöckchen dran, das klingelt.


Unterwegs

Bei einem unserer letzten Ausflüge, diesmal an den Chagan See, ca. 2,5 Stunden von Changchun Richtung Norden, wurden Denny und ich vom See eskortiert.

Wir waren mit den SUPs bei Windstille unterwegs und haben uns vom Wasser das Ufer angesehen, sind hinter eine Schilfinsel um zu schauen, ob man dort, bei Wind auch kiten könnte.


Als wir auf dem Rückweg waren, haben wir ein Motorboot gehört und es kam direkt auf uns zu gefahren. Da wir aber kein Chinesisch verstehen, konnten wir also nur die Handzeichen der drei Männer versuchen zu deuten. Schwer war es nicht, sie haben zum Land gezeigt und sind mit dem Boot hinter uns. Es hat aber mehrere Anläufe gebraucht, bis die Herren unsere Handzeichen verstanden haben. Wir wollten natürlich dorthin zurück, wo auch unser Auto stand und nicht, wo die Herren meinten, der kürzeste Weg aus dem Wasser war.

Wieder an Land haben wir mit der ÜbersetzungsApp versucht zu verstehen, warum sie uns vom Wasser haben wollten. Es waren nämlich keine Polizisten, also niemand Offizielles. Der eine Mann hat auf Dennys Fragen geantwortet: Er würde dort nicht schwimmen gehen und aus diesem Grund empfiehlt er uns dies auch nicht. Mehr war aus ihm nicht rauszuholen, bzw. aus der App. Also mussten wir vom Wasser, weil sie sich Sorgen um uns gemacht haben oder ein Chinese nicht schwimmen kann und dachte, wir können das auch nicht. (Die ÜbersetzungsApp lässt immer Interpretationsspielraum) Diesen Einsatz haben wir sicherlich dem Menschenauflauf am Straßenrand, welchen wir mit unserer Paddeltour verursacht hatten, zu verdanken. Es standen bestimmt 10-15 Leute am Ufer, deren Autos die Fahrspur blockierten… (die chinesische Fahrweise hatte ich ja schon ausführlich erwähnt…) Wahrscheinlich hat einer von unseren „Beobachtern“ die Baywatchtruppe organisiert.

Hatte ich schon mal erwähnt, dass viele Chinesen nicht schwimmen können? Auch unsere Eskorte glänzte mit roten Westen ;)


Sport frei!

Am letzten Freitagabend überraschte mich Denny mit einer Bitte für den Samstag. Er würde sich freuen, wenn ich Samstag früh mit ihm und seinem Kollegenteam um den Moon Lake laufe. Also rennen!

Das Ganze war eine Teamveranstaltung vom Arbeitgeber organisiert und ich glaube auch von der Partei unterstützt. Hatte diese doch in der Woche davor ihren 100. Geburtstag. Für die Mitarbeiter waren mehrere Stationen aufgebaut, wo Fragen zur Partei beantwortet werden mussten und mal Wasser bekam. Jede richtige Antwort hat die Zeit, welche das Team braucht den See zu runden, um 5 Minuten verkürzt.


Treffpunkt war morgens um halb acht, loslaufen eine halbe Stunde später. 16 Kilometer. Aus dem Stand und untrainiert. Hat irgendwie funktioniert. Schon wirklich spannend, wozu der Körper dann doch fähig ist. Zumal es morgens (7:00 Uhr) schon über 25° Grad hatte. Zu Hause hätte es Hitzefrei gegeben…


Mit einer Zeit von 2 Stunden und 25 Minuten waren wir aber dennoch gut dabei. Zumal Denny sich noch um seinen Kollegen gekümmert hat, damit dieser nicht alleine laufen musste.

Mir ist diese Hitze im Nachhinein nicht gut bekommen, oder auch das Warten auf den Start in der Sonne. Ich hatte später am Tag Kopfweh und sicherlich einen leichten Sonnenstich. Ruhe und Trinken haben aber schnell geholfen, am Sonntag war ich wieder fit. Naja, nicht ganz. Muskelkater hatte ich schon. Wir beide.


Neuer Look

Wie ihr vielleicht festgestellt habt, hat sich der Look von unserer Webseite geändert. Nun ist es nicht mehr meine „Arbeitsseite“ wo ich den Blog quasi angehängt habe, sondern die Webseite ist nun unsere Gemeinsame.

Zum einen, da ich hier nun weder eine Anstellung habe und wohl auch aller Wahrscheinlichkeit nach keine bekomme und zum anderen ich hier auch nicht selbstständig als Fitnesstrainer arbeiten kann. Die Regularien, welche eingehalten werden müssen um eine Selbstständigkeit hier ausüben zu dürfen, sind derart überzogen, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, das offiziell zu tun. Ein Punkt ist zum Beispiel eine monatliche Steuererklärung zu machen. Allerdings darf man dies nicht selbst tun, sondern muss es von einem chinesischen Steuerberater machen lassen. Allein das sind Kosten von ca. 5.000RMB/ Monat. Die müssen erstmal verdient werden.

Zudem fehlen mir die Kundinnen. Nicht, dass es hier keinen Bedarf gäbe. Wenn ich mir die Damen hier anschaue, gibt es einige, die durchaus Bedarf hätten, aber vielleicht sind die Interessen ja anders verteilt…

Daher habe ich mich entschieden, die Webseite umzugestalten.


Fluch und Segen

Somit habe ich seeehr viel Zeit. Ich habe Zeit, Dinge zu tun, die ich schon immer tun wollte. Ich weiß nur nicht, was ich will. Was macht man mit Zeit, die man zur Verfügung hat, aber nicht weiß, was man damit anstellen soll?

Shoppen gehen? Is langweilig. Ins Aktiengeschäft einsteigen? Ist mir zu unsicher, außerdem finde ich Roulette spielen schon aufregend genug. Meine Hobbies ausleben? Ja, theoretisch möglich, praktisch sind es Hobbies, welche man zu zweit machen müsste (zum Kiten braucht man ein einen Start- und Landebuddy, zum Tanzen einen Tanzpartner). Nochmal studieren? Keine Ahnung, was ich dann studieren sollte, außerdem müsste ich für Prüfungen nach Deutschland fliegen, was bei der derzeitigen Situation mehr als ungünstig ist.

Ihr seht also, viel Zeit und aktuell wenig Ideen.

Am liebsten verbringe ich meine Zeit ja mit Denny. Und wenn er Urlaub hat, ist das super. Unter der Woche bleibt für uns aber immer nur sehr wenig Zeit übrig. Denny verlässt morgens um 6:30 Uhr das Haus und ist selten vor 18:00 Uhr zu Hause. Abendessen und kurz über den Tag sprechen, dann ist schon fast wieder Zeit ins Bett zu gehen, der Wecker klingelt um 5:15 Uhr. Und da ist noch nicht mit einberechnet, dass Denny auch Abendveranstaltungen von Arbeit besucht oder eigene Pläne für seine Abendgestaltung hat.

Von der Vorstellung, die ich hatte als ich hier her gekommen bin, nämlich viel Zeit mit meinem Mann zu verbringen, von der musste ich mich nun endgültig verabschieden.

Uns bleiben also die Wochenenden. In denen Denny dann versucht, alle Dinge zu denen er in der Woche nicht kommt, an einem Tag zu erledigen. Und an mindestens einem Tag ist dann noch ein Ausflug in die nähere oder weitere Umgebung geplant.


Restaurantbesuche

Ab und zu gehen Denny und ich essen. Als ehemalige Gastrofachkraft ist es für mich, die ja die Gepflogenheiten der deutschen und österreichischen Gastronomie quasi eingebläut bekommen hat, echt schwierig den Umgang mit den Gästen und Arbeitsweise in chinesischen Restaurants zu beobachten. Nicht, dass wir oft in chinesischen Restaurants unterwegs wären, aber es sind Internationale mit chinesischem Personal. Klar.

Meistens bringt dir der Kellner die Karte. Allerdings wartet er dann am Tisch, bis du gewählt hast. Also entweder, du wählst schnell oder es ist dir egal, dass der Kellner die ganze Zeit neben dir am Tisch steht und wartet.

Wenn du bestellt hast, wir alles exakt dann rausgebracht, wie es fertig geworden ist. Dauert dein Getränk also länger als der Salat den du bestellt hast, bekommst du zuerst den Salat. Und ist ein Hauptgang schneller fertig als der andere, fängt einer schon mal an zu essen. Hier werden die Gerichte nicht zusammen serviert, sodass alle am Tisch gemeinsam beginnen können. Und macht man den Fehler, Vorspeise, Hauptgang und Dessert in einem Rutsch zu bestellen, kommt es in der Reihenfolge auf den Tisch, in der der Koch es fertig hat und unabhängig davon ob du vielleicht noch an deiner Vorspeise kaust.

Bei einem Besuch des Italieners hier, bestellt waren 2 Gläser Wein, 1x Bruscetta als Vorspeise, Nudeln und Pizza zum Hauptgang, kamen die Dinge in der folgenden Reihenfolge: 1 Glas Wein, Bruscetta mit Nudeln, 1 Glas Wein, Pizza.

Ich tu mich wirklich schwer damit, mich daran zu gewöhnen. Als Lösung, um nicht in empfundener Hast essen zu müssen, oder damit der Huaptgang nicht kalt wird, haben Denny und ich uns überlegt, dass wir, vor allem bei diesem Italiener, ab sofort zuerst die Getränke bestellen und warten bis diese da sind. Dann bestellen wir die Vorspeise und essen die auf. Und erst dann bestellen wir den Hauptgang (aber auch dann ist nicht garantiert, dass unser Essen gleichzeitig kommt). Es ist und bleibt also mühevoll.


Unverständnis

Was wir auch auf einem unserer letzten Ausflüge beobachtet haben:

Ein Chinese ist mit seinem Auto ins Fluss- bzw. Bachbett gefahren um sein Auto zu waschen. In Deutschland undenkbar, man wird geteert und gefedert, wäscht man sein Auto nur auf der Straße. Hier offenbar üblich.

Oft ist mir die hiesige Denkweise fremd. Auch hier in Changchun gibt es (sauberes) Wasserknappheit. Die Seen und Flüsse sind wirklich trüb und ich glaube, es liegt nicht unbedingt nur am -20° Grad Winter, dass es so viele tote Fische gab. (Wir würden wirklich gerne Wasserproben testen lassen) Und obwohl dies ein wirklich sichtbares Problem ist, scheint der Durchschnittschinese nicht daran interessiert zu sein, das zu ändern, er fährt lieber mit der Luxuskarre, Lappen und Spülmittel in den Bach.

Vor ein paar Wochen hat allerdings unser Kiteclub am See einen Aufräumtag organisiert. Auch am Strand waren die Jungs echt richtig fleißig. Ein mittelgroßer Abschnitt wurde von Müll und Fischen befreit. Wir wissen ja schon, was das für eine Arbeit ist.

Eine Woche später waren wir nochmal nur zu zweit dort. Es sah aus, als ob dort nie etwas passiert wäre. Nun, es lagen weniger tote Fische rum, dafür aber wieder Unmengen an Müll. Und zusätzlich Reifenspuren. Als ob jemand Donuts am Strand gedreht hätte, wobei der Platz dazu nicht reicht.

Ob der Müll dort durch das Wasser wieder neu angespült, durch die Reifen neu „ausgegraben“ oder aber neu hingemüllt wurde, wissen wir nicht. Es macht uns aber traurig.


Grüße

Anja & Denny




PS:

Wir erleben hier wirklich manchmal wilde Dinge.

Von nicht allem können wir Bilder machen, weil wir nur vorbei fahren oder es ein zu kurzer Moment ist. So kurz, dass du den Kopf schüttelst und denkst es wäre ein Traum gewesen.

War es aber nicht, weil wir beide es gesehen haben!

Zwei Bilder möchten wir euch aber nicht vorenthalten ;)


Stromkabel in der Stadt:


Arbeitssicherheit Level China


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